Die körperliche Anwesenheit, Begegnungen von Angesicht zu Angesicht sind dank Internet und Künstlicher Intelligenz (AI) in vielen Fällen nicht mehr notwendig zur basalen Lebensbewältigung. Durch die breite Auswahl von Optionen im Netz können wir bei sozialen Konflikten, aber auch aus Bequemlichkeit oder Effizienzgründen per Mausklick auf virtuell verfügbare Alternativen ausweichen. Ist damit die Dissoziation zur neuen Daseinsform geworden?
«Dissoziation» fasst ein Spektrum psychischer Mechanismen und Fähigkeiten zusammen, welche von «normal» bis pathologisch reichen. Das menschliche Gehirn wird durch Selektion und Verallgemeinerung leistungsfähig, Gruppen formieren sich über Identifikationen mit Zielen oder Werten, welche andere Ziele und Werte ausblenden. Bereits diese alltäglichen individuellen und kollektiven Mechanismen basieren auf der Fähigkeit zur Dissoziation, zur gezielten Auswahl und Verdrängung von Information. – Die digitalisierten Lebensbedingungen wirken sich auf Identität, Gedächtnis und Bewusstsein aus. Wenn die psychische Integration dieser Bereiche gestört ist, spricht man von einer pathologischen Dissoziation. Der Workshop dient dazu, Funktion und Bedeutung von Dissoziationen für die Psychodynamik, Sozialpathologien, insbesondere aber auch für die kritische Sozialphilosophie zu diskutieren.
Call for Paper:
Wir laden Sie ein zum Austausch von Ideen und Beiträgen zum Thema Dissoziation und Entfremdung. Der eintägige Workshop bietet Forschenden und Nachwuchsforschenden der Philosophie die Gelegenheit, eigene Beiträge und Fragen an die Forscher zu richten. Beiträge aus anderen geistes- oder sozialwissenschaftlichen Disziplinen, die sich spezifisch mit den Begriffen der Dissoziation oder Sozialpathologien auseinandersetzen, können ebenfalls berücksichtigt werden. Die Online-Teilnahme ist möglich.
Ziel des Workshops ist eine hermeneutisch-kritische Diskussion der Bedeutung, welche der Mechanismus der Dissoziation in unserer Gesellschaft, auf Subjektebene und auf der Ebene kollektiver Dynamiken spielt. Besonders erwünscht sind Beiträge, die sich im Rückgriff auf den gegenwärtigen Entfremdungsdiskurs der Kritischen Theorie an die Fragestellung heranwagen, ob und inwiefern Dissoziation als Kriterium für die Bestimmung von Sozialpathologien geeignet ist.
Weitere Details zum Call finden Sie im Downloadbereich.
Vorläufiges Programm
Donnerstag, 8. April 2021
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14.00 - 17.00
Workshop-Auftakt
"Dissoziation – psychosoziale Kompetenz zur Bewältigung von Entfremdung und Unverfügbarkeit?"
14.00 Begrüssung
14.15 - 14.55
Nikolaus Schulz, M.A., Universität Leipzig
14.55 - 15.35
Gianluca Cavallo, M.A., Goethe-Universität Frankfurt
15.40 - 16.20
Lucas von Ramin, M.A., Technische Universität Dresden
16.20 - 17.00
Simon Pistor, M.A., Universität St.Gallen
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18.15
Öffentlicher Vortrag
"Unverfügbarkeit, Entfremdung und Aggression: Ambivalente Tendenzen spätmoderner Weltverhältnisse"
Prof. Dr. Hartmut Rosa, Friedrich Schiller-Universität Jena und Direktor des Max-Weber Kollegs der Universität Erfurt
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Freitag, 9. April 2021
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9.00
Eröffnung und Einführung
Prof. Dr. Hartmut Rosa und Dr. phil. Anita Horn
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Expertenreferate
10.00 - 11.00
Prof. Dr. Rosmarie Barwinski, Universität zu Köln, SIPT Winterthur
11.00 - 12.00
Prof. Dr. Rahel Jaeggi, Humboldt Universität zu Berlin
13.00 - 14.00
Prof. Dr. Vera King, Goethe Universität Frankfurt
14.00 - 15.00
Prof. Dr. Robin Celikates, Freie Universität Berlin
15.30 - 16.30
PD Dr. Christoph Henning, Universität Erfurt
16.30 - 17.30
Prof. Dr. Jessica Benjamin, New York University
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17.30
Schlussdiskussion im Plenum
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